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Worum geht's?

Aus Gemeinwohlwiki Braunschweig

Wir brauchen eine grundlegende sozial-ökologische Transformation und das in einer nie dagewesenen Dringlichkeit. Es gibt keine einfachen Lösungen und niemand hat die Antwort darauf, wie das gute Leben für alle aussehen kann, das das Ziel des Wandels sein muss. Es gibt aber viele Initiativen und Einrichtungen, die sich in den unterschiedlichsten Bereichen engagieren, Teillösungen entwickeln und damit die Keimzellen einer neuen Gesellschaft bilden. Wenn wir sie stärken und die einzelnen Themen und Konzepte miteinander verbinden, entsteht ein Netz, auf dem ein gesamtgesellschaftliches Narrativ entsteht, das das Ziel des Wandels vorstellbar und somit erreichbar macht.

Das Gemeinwohlwiki Braunschweig ist eine partizipative Plattform, die diese Initiativen und Einrichtungen stärken möchte. Es dient dem Austausch von Wissen und Erfahrungen, dem Finden und Sichtbarmachen von Initiativen und der Stärkung des Austauschs untereinander, sodass wir uns gegenseitig stärken, voneinander profitieren und von den vielfältigen Perspektiven und Ansätze inspirieren lassen.

Für wen?

Das Wiki richtet sich an gemeinwohlorientierte Menschen und Organisationen, die teils explizit mit Lösungen für eine nachhaltig organisierte Gesellschaft experimentieren, andere für die Mitgestaltung einer sozial-ökologischen Transformation gewinnen wollen, die vorhandenen Ideen und Ansätze politisch durchzusetzen versuchen oder einfach Gutes tun möchten.

Das Wiki versteht sich als unabhängig, entsprechend wird politischen Parteien und gewinnorientierten Unternehmen hier keine Plattform geboten (ausgenommen gemeinnützige GmbHs).

Hass, Hetze und diskriminierendes Verhalten oder Inhalte von Initiativen, die Gruppen vom Gemeinwohl ausschließen möchten, werden in diesem Wiki nicht geduldet.

Von wem?

Das Wiki wurde von Matthias Hüttmann im Rahmen seiner Masterarbeit im Studiengang Transformation Design an der HBK Braunschweig ins Leben gerufen. Aktuell ist er alleiniger Administrator der Webseite, freut sich aber darüber, wenn sich ein engagiertes und möglichst diverses Team um ihn sammelt und die Verantwortung für das Wiki und die Entscheidungsmacht über die Inhalte sich auf viele Schultern verteilt werden.

Relevanz

Das Krisenjahrhundert

Das frühe 21. Jahrhundert ist geprägt von Krisen. Damit ist nicht nur die Häufung wirtschaftlicher Rezessionen gemeint, von denen innerhalb von 2 Jahrzehnten gleich drei „Jahrhundertkrisen“ stattfanden. Viel gravierender ist die seit Jahrzehnten prognostizierte Klimakrise, die spätestens seit dem 21. Jahrhundert unverkennbar ihre Auswirkungen zeigt. Wir erleben das durch Erderwährmung, Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung verursachte sechste Artensterben und einen dramatischen Wandel von einst bewohnbaren Flächen. Massive Fluchtbewegungen, die auch in Ländern eine gesellschaftliche Spaltung verstärken, die von Klimawandelfolgen bisher weitgehend verschont blieben und wirtschaftlich (durch eine auf Kolonialismus und Imperialismus beruhende Lebens- und Wirtschaftsweise) erfolgreich sind. All das verschärft die ohnehin große soziale Ungleichheit.

Es zeigt sich, dass soziale und ökologische Aspekte der Krisen dabei nicht zu trennen sind. Nicht ohne Grund ist die zentrale Forderung der seit 2019 in Deutschland tätigen Klimaschutzbewegung Fridays for Future „ Klimagerechtigkeit“, womit nicht nur eine weltweit, sondern auch eine im nationalen Rahmen sozial gerechte Klimapolitik gemeint ist. Diese ist nicht nur moralisch geboten ist, sondern auch politisch und wirtschaftlich sinnvoll, wollen Politiker*innen die gesellschaftliche Spaltung nicht weiter vorantreiben und Wohlstand sichern. Ein grundlegender, sozial-ökologischer Wandel muss her!

Die Politik scheint keine Konzepte und kein Interesse an grundlegenden Veränderungen zu haben, die angemessene Reaktionen auf die Dimensionen der Probleme wären. Auch durch die Corona-Krise, die ohnehin vorhandene soziale Ungleichheit noch weiter verschärft,[1] wird sichtbar, dass auch bei einzigartigen Herausforderung der politische Mut fehlt, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, viel Energie und letztlich, wie auch bei der Klimakrise, Menschenleben geopfert werden, um so lange wie möglich am bekannten Wirtschaftssystem festzuhalten. Statt die Wurzeln des Problems zu adressieren, wird weiter nur halbherzig auf Symptome geschaut.

Politisierung & Parteipolitikverdrossenheit

Unsere Demokratie steht vor einem Paradoxon. Eine schrumpfende Parteilandschaft steht einer zunehmenden Politisierung und wachsendem zivilgesellschaftlichen Engagement gegenüber.[2] Der Wille, sich gesellschaftlich zu beteiligen, wird von einem Misstrauen in den Politikbetrieb konterkariert. Seine Akademisierung und die Entfremdung der Politiker*innen von der Lebenswirklichkeit und Sprache großer Teile der Bevölkerung führt in eine Repräsentations- beziehungsweise Legitimationskrise.[3] Hinzu kommt Transparenzkrise, welche durch den wirtschaftlichen Einfluss auf politische Entscheidungen, Unklarheit über ihr Zustandekommen und ein fehlendes Lobbyregister machen ausgemacht wird.[4] Die trotz Massenprotesten fehlende Bereitschaft, die Klimakrise in ihren Auswirkungen ernst zu nehmen oder gegen Ungleichheit vorzugehen unterfüttern das Misstrauen und bilden den Nährboden für Populismus.

Die Grenze zwischen dem Öffentlichen und Privaten verschwimmt, das Politische durchzieht das alltägliche Leben, ob klimasensible Konsum- oder Verzichtentscheidungen, solidarisches Verhalten in einer Pandemie, rassismuskritische Auseinandersetzungen im Privat- und Berufsleben oder eine Diskriminierungs- und Sendungsbewusste Verwendung der Sprache.

Der Ausweg, sich trotz des Abwendens von den Parteien politisch zu beteiligen und „das Politische“ vom Privaten ins Öffentliche zu übertragen sind Initiativen und Vereine, die Bildungsarbeit leisten, Menschen unterstützen, Natur schützen, Massen mobilisieren und politische Entscheidungen beeinflussen. Diesen Weg nutzen immer mehr Menschen und das Vereinswesen versteht sich zunehmend als politischer Akteur, als Gegengewicht zur Wirtschaftslobby.[5]

Keine Engagementkrise

Auch in Braunschweig gibt es unheimlich viele Menschen mit großen Ideen, die, oft ehrenamtlich und in ihrer Freizeit, viel Energie in ihre Erprobung und Etablierung investieren und sich für eine sozial und ökologisch gerechte Welt einsetzen. Diese Arbeit gegen den Strom ist schwer und bringt Schwierigkeiten mit sich. Das zunehmende Engagement geht nämlich auch mit einer Fokussierung auf einzelne Themenfelder und einem engen Handungsrahmen einher. Für eine themenübergreifende Perspektive, ein gesamtgesellschaftliches Narrativ, das der enormen Aufgabe der sozial-ökologischen Transformation angemessen wäre, fehlt weitgehend die Zeit oder Energie.

Das Aktivismusnetzwerk „Smart CSOs“ kommt zu dem Ergebnis, dass zwei der fünf größten Hindernisse der Initativarbeit der Fokus auf einzelne Symptome und fehlende Allianzen zwischen thematisch unterschiedlich aufgestellten Organisationen sind, wobei Ursachen sowie die Zusammenhänge zu anderen Themenfeldern übersehen werden.[6] Klima- und Sozialkrise werden also weitgehend getrennt voneinander betrachtet und eher symptomatisch behandelt, was in Anbetracht der Komplexität der Problematik und der systemischen Verwobenheit naheliegend ist. Auch das Umweltbundesamt listet in einem Strategiepapier als Handlungsbedarfe „themenübergreifende Allianzen zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren“ auf, wobei betont wird, dass eine Bewahrung der Unabhängigkeit voneinander trotz Kooperationen geboten ist.[7]

Ein weiteres Problem ist die fehlende Diversität auf verschiedenen Ebenen. Auch wenn Jugendliche zunehmend politisch engagiert sind,[8] profitieren bestehende Vereine wenig davon. Junge Bewegungen wie Fridays for Future organisieren sich weniger in Vereinen als informell und digital. Es kann ein Teufelskreis entstehen, da gerade kleinere Initiativen aufgrund geringerer Expertisen in den Bereichen Web- und Social-Media-Präsenz unbekannt bleiben, deshalb keine Jugendlichen anziehen und es ihnen so an Nchwuchs mangelt, der die nötige Digitalkompetenz mitbringen würde. Auch die Mobilisierung von Menschen mit Migrationshintergrund gestaltet sich abseits der seit 2015 steigenden Zahl der Integrationsvereine als schwierig.[9]

Zentrale Forderungen, die aus der ZiviZ-Studie „Vielfalt verstehen. Zusammenhalt stärken.“ hervorgehen, sind demokratischere Strukturen innerhalb von Initiativen und eine Abbildung der Pluralität der Gesellschaft, deren Interessen vertreten werden.[10] Trotz der wachsenden Bereitschaft, sich zu engagieren, stehen Initiativne also vor großen Herausforderungen, die sich nicht ohne weiteres alleine bewältigen lassen. Doch gerade in der Heterogenität der verschiedenen Organisationen, sei es thematisch, organisatorisch, methodisch oder demografisch, liegt eine große Chance! Wenn beispielsweise Kompetenzen und Erfahrungen Jugendlicher, die in der vergleichsweise gleichstellungssensiblen und demokratisch organisierten Bewegung Fridays for Future organisiert sind und multikulturelle Stimmen aus Integrationsvereinen in andere Initiativen mit einfließen können, die wiederum ihre langjährigen Erfahrungen mit Braunschweiger Strukturen oder Strategien teilen können, profitieren alle und es entsteht ein themenübergreifender Austausch, der die Perspektiven erweitern kann.

Warum Wiki?

Insbesondere während einer globalen Pandemie bietet der digitale Raum eine Ausweichmöglichkeit für physische Treffen. Dabei ist er aber nicht als defizitärer Ersatz zu betrachten, sondern bietet viele Vorteile, wie eine einfache und örtlich sowie zeitlich ungebundene Zugänglichkeit oder bessere Skalierbarkeit. Die zeitversetzte Partizipation ermöglicht viel mehr Menschen die Mitarbeit, als es feste Termine je könnten. Und für viele ist der Blick ins Internet ohnehin zum ersten Schritt auf der Suche nach Informationen geworden.

Wie lässt sich hier also die ungleiche Verteilung von Wissen und Kompetenzen abbauen und ein Austausch der Perspektiven und Herangehensweisen etablieren?

Eine Lösung kann das Format Wiki sein. Das bekannteste Beispiel ist die Plattform Wikipedia, auf der Millionen Menschen weltweit Wissen zugänglich machen. In kleinerem Rahmen soll dies auch in Braunschweig mit für die Initiativarbeit relevanten Inhalten geschehen. Menschen, die sich seit vielen Jahren engagieren, können wertvolle Erfahrungen und Strategien beitragen, die sich junge Vereine sonst mühsam und mit vielen Rückschlägen erarbeiten müssten. Andersherum können neuartige Organisationskonzepte und Kommunikationstools, die Digital Natives selbstverständlich erscheinen, ältere Organisationen inspirieren und sie strukturell erneuern. Die Informationen können sehr allgemein, oder genau auf den Braunschweiger Kontext zugeschnitten sein.

Der große Vorteil der Plattform Wiki ist ihr partizipativer Charakter. Gewisse Hürden lassen sich bei digitalen Plattformen nicht abbauen, aber Wikis sind vergleichsweise zugänglich und einfach zu bedienen. Es reicht, sich einmal auf der Website anzumelden, und schon kann jede Person Artikel erstellen und bearbeiten. Die Seite bleibt immer flexibel, während versehentliche oder auch böswillige Änderungen durch die Versionsgeschichte einfach rückgängig gemacht werden können. Hinzu kommt, dass ein Wiki ein sich ständig wandelndes Medium ist, das keine Perfektion verlangt, sondern auch unfertig aussehen darf. Durch die Verwendung von Kategorien lässt sich auch auf einer stetig wachsenden Plattform eine übersichtliche Struktur wahren, über Nutzer*innenprofile einfach Kontakt zu anderen Wikimitgliedern aufnehmen und auf Diskussionsseiten zu allen Artikeln Fragen, Meinungen und Veränderungsvorschläge sammeln, sodass auch der direkte Austausch ermöglicht wird.

Als immaterielles Gut wird Wissen nicht weniger oder erschöpt sich gar, wenn wir es teilen. Im Gegenteil, es inspiriert zu neuen Gedanken und pflanzt sich eher fort. Wenn wir es anwenden, ergeben sich neue Erkenntnisse, die den Wissensschatz bereichern. Also lasst euch inspirieren, probiert die Inhalte dieses Wikis aus und teilt eure Erfahrungen miteinander!

Das Konzept

Die Kategorie „Initiativen“ lässt Interessierte die passende Organisation für sich finden, wobei diese sich nach Themen, Formen des Engagements und Adressat*innen sortieren lassen. Dies nützt andersherum auch den Initiativen selbst, die dadurch Sichtbarkeit erlangen leichter gefunden werden können.

Im Zentrum des Wikis steht die Rubrik „Wissen“, in der es um den Austausch von Erfahrungen und Tipps gehen soll. Hier lassen sich allgemeine Hinweise über geeignete Methoden, aber auch sehr spezielles, nur für den Braunschweiger Kontext relevantes Wissen über Strategien für den Umgang mit den verschiedenen Parteien, wohlgesonnenen Ansprechpersonen in der Verwaltung oder Fördermöglichkeiten teilen.

Unter Werkzeuge können in den Kategorien „Kommunikations- bzw. Organisationstools“ und „Sichtbarkeit“ Hinweise zu Anwendungsgebieten, Vor- und Nachteilen für die verwendeten (meist digitalen) Werkzeuge bereitgestellt werden, die Absprachen miteinander ermöglichen, die Verwaltung von Wissen und Daten vereinfachen oder euch eine Öffentlichkeit geben.

Unter „Wünsche“ lassen sich sowohl Bedürfnisse an die Braunschweiger Strukturen sowie ihre Defizite sammeln, die langfristig die Grundlage für eine offizielles Engagementstrategie bilden können. Hier wird aber auch zur Mitgestaltung des Wikis selbst eingeladen, es lassen sich also Fragen, Verbesserungsvorschläge und gewünschte Funktionen sammeln. Alle oben genannten Strukturen lassen sich dank der flexiblen Struktur des Wikis einfach erweitern. So sind zum Beispiel weitere Kategorien für die Sortierung der Initiativen denkbar.

Neben den Anleitungen, unter denen auch Kopiervorlagen zur einfachen Erstellung der verschiedenen Artikeltypen inklusive automatischer Zuordnung zur entsprechenden Kategorie zu finden sind gibt es noch die Rubrik Ressourcen, unter der auf den Sandkasten verwiesen wird, einer Sharing-Plattform der TU Braunschweig, die Privatpersonen aber auch Initiativen nutzen können. Da Initiativarbeit oft spendenfinanziert ist und Organisationen gut haushalten müssen, sollen sie durch die Möglichkeit, Ressourcen miteinander zu teilen, finanziell entlastet werden. Räume, Materialien oder Werkzeuge, die die meiste Zeit unbenutzt bleiben, können so anderen gemeinwohlorientierten Initiativen ausgeliehen werden.

Einzelnachweise